2016, ein bewegtes Jahr!





 


2016 war auch ein bewegendes Jahr  für die Konzertreihe St.-Jodok!
Erstmals oranisierte und führte der Verein eine Gemäldeausstellung durch.
Unter tatkräftiger Mitwirkung einer Vielzahl von Personen und Stellen konnte in der Kar- und Osterwoche die Ausstellung »Das Licht erhellt die Finsternis« mit Werken der in Stuttgart lebenden Künstlerin Hilde Reiser gezeigt werden.
Beinahe taggenau im März 1960 stellte sich die Künstlerin, damals in der Galerie Fauler Pelz, mit ihrer ersten  Einzelausstellung dem Überlinger Publikum vor.
Nun 56 Jahre später konnte wir durch die vehemente Initiative von Dr. Csaba Nemes eine Retrospektive ihres Schaffens zeigen.
Die Bilder waren thematisch an die Passions- und Osterzeit angepasst, sodass  einige Hundert Besucher innerhalb der beiden Wochen Ausstellung und Kirche besuchten.








Ausstellungsimpressionen































Unser zweites großes Benefiz-Projekt im Jahr 2016 war die Restaurierungsarbeit an den beiden spätgotischen Zunftstangen, die wir, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, dank der Spendenbereitschaft unserer Partner und Konzertbesucher in die Räume der St.-Jodok-Kirche rückführen  konnten.









Über Vortragsstangen
im Allgemeinen und Zunftstangen im Besonderen







Durch unser Projekt, die beiden Zunftstangen der St.-Jodok-Kirche wieder in alter Pracht erstrahlen zu lassen, ergaben  sich neben der sachgerechten Restaurierung auch Fragen zur Bedeutung und praktischen Einbindung ins religiöse Leben ihrer Entstehungszeit.
Nach heutigem Verständnis leichtfertig als folkloristisch abgetan, erscheinen sie auf den ersten Blick wie Beiwerk einer Kirchenausstattung, deren Sinnhaftigkeit schon lange in Vergessenheit geraten ist.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas verdanken wir Helene und Thomas Finkenstaedt, die in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts ihre besondere Aufmerksamkeit den bayerischen „Stanglsitzerheiligen“, aber auch den Zunftstangen Südtirols widmeten. Ihren langjährigen Studien ist es zu verdanken, dass wir heute, wenn auch nicht umfänglich, wieder ein Bild vom Wesen der Stangen und deren gesellschaftlichen Einordnung haben.
Um das Thema in seiner Umfänglichkeit einzugrenzen, möchte ich mich bei meinen Ausführungen im Wesentlichen auf die beiden Stangen der St.-Jodok-Kirche beschränken.
Die gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen im ausgehenden Mittelalter, bei denen die bürgerlichen Verwaltungsformen immer stärkeren Einfluss bekamen, lassen sich auch für Überlingen nachweisen. Vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zur Auflösung der Freien Reichsstadt 1803 teilten sich vornehmlich Zünfte und Patrizier die politische Macht. Innerhalb dieser Gruppierungen bestanden klar definierte Regeln, die in den jeweiligen Zunftordnungen Ausdruck fanden.
Genau wie heute Gesetze und Verordnungen unser tägliches Leben bestimmen, regelten zahlreiche Bestimmungen und Ordnungen das Leben der Menschen im Mittelalter bis ins Detail hinein. Neben der Arbeit gaben vor allem der christliche Glaube, und damit verbunden in Überlingen die katholische Kirche, dem Tag seine Struktur. Das eigene Seelenheil bestimmte den Tag mehr noch als das Tagwerk.
Zentrum des Gottesdienstes bildete die spirituelle Wandlung von Brot und Wein zum Leib Christi. Die dadurch erreichte Erhellung an Körper und Seele war jedem einzelnen Menschen, aber auch einer jeden Gesellschaftsgruppe, sei es nun eine Zunft oder Bruderschaft, von eminenter Wichtigkeit. Die physische Nähe zum Leib Christi beispielsweise bei den zahlreichen Prozessionen; welche Zunft sie anführte oder welche näher oder ferner dem Allerheiligsten Aufstellung fand, sagte viel über gesellschaftliches Ansehen oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Zunft aus.
Das Licht in Form des Kerzenlichtes, als Sinnbild göttlicher Erhellung, war seit der Urkirche Bestandteil der Wandlung und unterlag somit ebenfalls besonderen Regeln. Wachs für die Kerzen, sie mussten aus reinem Bienenwachs sein, war äußerst kostspielig und bedurfte ständiger Erneuerung. Den Zünften wurde schließlich die ehrenvolle Aufgabe zuteil, sich um den Erhalt dieses Lichtes zu kümmern. So war das Wachsopfer in einer ganzen Reihe von Zunftordnungen ganz zu Beginn, noch vor den beruflichen Bestimmungen, geregelt, was dessen herausragende Stellung innerhalb der zünftischen Verfassung unterstreicht. Auch waren zahlreiche Verstöße gegen die Zunftordnung und die damit verbundenen Strafen und Abgaben in Wachs zu entrichten. Das Wachs wurde üblicherweise jeweils an den Quartembertagen, wiederum nach festgelegten Regeln und Formen, geopfert.
Aus dem Wachsopfer entwickelte sich im Laufe der Zeit ein regelrechter Wettbewerb unter den Zünften und Bruderschaften, wer die größten, schwersten und kunstvollsten Kerzen opfern konnte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Wachs und Kerzen neben den eher profanen Gütern wie etwa dem Zunfthaus, der Zunfttruhe und Fahne oder der Büchse (Kasse), zu deren wesentlichsten Vermögenswerten zählte und besondere Erwähnung fand.
Der ständigen »Eifer-Sucht« unter den Zünften und Bruderschaften ist es zu verdanken, dass sich aus dem Kerzen- und Wandlungsopfer mancherorts bereits ab dem 13. Jahrhundert die dann hölzernen Kerzen- und Zunftstangen entwickelten, von denen wir zwei äußerst dekorative Exemplare aus der Mitte des 16. Jahrhunderts heute wieder in der Ausstattung der St.-Jodok-Kirche vorfinden.
Weitere Verbündete, die den Menschen bis in die Gegenwart hinein zu ihrem Seelenheil verhelfen sollen, sind die große Gruppe der Heiligen. Ihnen vertraute man im Mittelalter das Patronat über die jeweilige Zunft oder Bruderschaft an. Patron konnte werden, wer sich als Heiliger entweder durch sein Martyrium, seine Herkunft oder seine Lebensführung als Fürsprecher bei Gott auszeichnete. Die Verehrung des oder der Zunftheiligen war existenziell für alle erdenklichen Lebenssituationen und daher fester Bestandteil des sakralen Alltags.
Im Fall unserer beiden Zunft- oder Kerzenstangen waren die Figuren der Heiligen in je einer kunstvoll gefertigten Laterne am oberen Ende der Stange, unterhalb des Kerzentellers, repräsentativ installiert.
Zusammenfassend waren die Zunftstangen vornehmlich Glaubens- und Repräsentationsobjekte, die neben den sakralen Aufgaben auch den gesellschaftlichen Status der jeweiligen Zunft und deren Wirtschaftskraft nach außen hin in Erscheinung brachten.
Besondere Erwähnung fanden die Zunftstangen zu Fronleichnam in den Prozessionsordnungen. Als Träger des Lichtes wurden sie aber auch zu Versehgängen oder zu Beerdigungen von Zunftmitgliedern oder deren Familienangehörigen mitgeführt. In Überlingen sind zusätzlich noch zahlreiche Flur- und Viehprozessionen sowie die beiden Schwedenprozessionen zu erwähnen.
Mit dem Ende des Zunftwesens und dessen Auflösung gerieten Funktion und Zweck der Zunftstangen immer mehr in Vergessenheit. Die Zunftvermögen wurden oft in alle Winde verstreut, und substanziell blieb nur wenig von deren einstiger Pracht erhalten. Umso glücklicher dürfen wir uns schätzen, dass die beiden Zunftstangen in der St.-Jodok-Kirche die Jahrhunderte nach Auflösung der Zünfte gut überdauert haben und uns heute wieder einen Einblick in die Geisteshaltung der Zeit der Zünfte gewähren.





Zunftstange, Detail,
Laterne und Laternensockel,
unrestauriert















Das Ergebnis des Projektes Zunftstangen,
Restaurierung und Ergänzung der verlorenen Heiligenfiguren
kann sich sehen lassen!









Im Rahmen des Patroziniums der St.-Jodok-Kirche 2016 wurden die beiden neu gefertigten Heiligenfiguren, Ambrosius und Augustinus geweiht, und  danach  an ihre angestammten Plätze verbracht.
Die Nacharbeitung der beiden Figuren war nötig geworden, weil die originalen Figuren gestohlen wurden, und somit nicht mehr vorhanden sind.
Glücklicher Weise war deren Gestalt  auf Fotografien dokumentiert, wodurch sie anhand der Bilder von der Werkstatt Stuflesser in St. Ulrich, Südtirol nachgearbeitet werden konnten.
In Lindenholz geschnitzt und  farblich an die beiden Stangen angepasst stellt das Ensemble nunmehr wieder eine Einheit dar, wobei bewußt auf eine Fassung der Figuren verzichtet wurde, da die originale Farbgebung anhand der schwarz-weiß-Bilder nicht rekonstruierbar war.
Der Schriftzug der beiden Spruchbänder die beide Heilige vor sich halten, und deren ursprünglicher Text ebenfalls nicht mit letzter Sicherheit erkennbar war, wurde von uns mit dem Worten:
»gestiftet von der Konzertreihe St. Jodok 2016«
versehen. Dadurch dokumentiert die Konzertreihe ihr Engagement für die Kirche und verweißt zugleich auf die Jahrhunderte alte Tradition der Stifterbenennung.

Was mit der Beharrlichkeit  Josef Widmers begann konnte  zielgerichtet und unter Einbindung aller für das Projekt relevanten Stellen innerhalb eines Jahres zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.
Darüber dürfen wir alles stolz sein und freuen uns darauf, auch in Zukunft unseren  Beitrag zum Erhalt der Kirche leisten zu können.













Auszug aus dem  Restaurierungskonzept der beiden Vortragstangen

von
Restaurator Markus Heberle, Überlingen















….Die unteren drei Schaftteile schließen oben jeweils mit einem kleinen, oktogonalen Kapitell, der obere Zierschaft mit einem runden, plastisch floral ausgearbeiteten ab. Darauf steckt mit großem Vierkantdübel ein großes, hexagonales Kapitell, das gleichzeitig quasi als Laternensockel dient. Werden an den Zierschäften als florale Elemente ausschließlich Laubblätter und Blüten gestaltet, kommen am Laternensockel zusätzlich noch Weintrauben hinzu.
Am Baldachin und seinen tragenden Fialen kommen stilisierte Akanthusblätter im spätgotischen Stil zur Geltung. Der Figur im Baldachin ist ein gedrechselter Sockel untergestellt (55 mm hoch, 100 mm Ø); ebenfalls in Drechseltechnik ist der oben abschließende Kerzenleuchter gefertigt worden.
Konstruktiv besteht die Schaftstange ursprünglich aus einem Stück, die gliedernden Kapitelle wurden in Teilstücken angesetzt (möglicherweise wurden sie auch als Ganzes auf die Stange vor der Grundierung aufgeschoben). Auch die florale Schnitzerei auf dem Zwischenstück ist separat geschnitzt und als zweiteilige Halbschale aufmontiert worden; am oberen Teil des Zierschaftes wurden die Weinranken als Relief in den Schaft geschnitzt, dadurch wirkt dieser Teil auch etwas schlanker. Die Verbindung der weiteren Konstruktion geschieht über verleimte Holzdübel.
An den Vortragestangen sind schon zahlreiche Reparaturen vorgenommen worden: Meist handelt es sich um die Ergänzung von kleineren Verlusten im Laubwerk und an den Ecken der achteckigen Kapitelle. An der "Akanthusstange" ist das untere Gliederungskapitell eine jüngere Ergänzung; vermutlich aus derselben Hand ist der Austausch eines ganzen Abschnittes ca. (15 cm) in der "Distel-Stange" am unteren Ende des oberen Zierschafts zu sehen.

Fassung
Fassungstechnisch wird die Oberfläche von Metallfassungen dominiert. Neben dem klassisch spätgotischen Blau-Gold-Kontrast zeigt das Laubwerk an der Tragestange wie auch an der Laterne überwiegend silberfarbene Fassung. Es ist davon auszugehen, dass dies in Gegenüberstellung von polierten zu matten Metallflächen gestaltet war. Durch die starke Korrosion des Silbers ist dies heute so aber nicht mehr ablesbar.
Eine Besonderheit stellt die Fassung auf der untersten, gefassten Laubwerksgestaltung, auf der sog. Aufrichtstange befindlichen, dar: Allem Anschein nach wurde dieser Teil in der Art der Wismut-Malerei gestaltet.
Leider ist diese Technik durch ihre Instabilität ähnlich destruktiv erhalten. Sie war ursprünglich auch silberfarben im Farbton als Hintergrund, die Ornamente wurden dann bunt aufgemalt. Dazu dann ist im Kontrast der obere Teil der Stange zu sehen, wo die Rücklagen der Schnitzerei in einem hellen Grün gefasst sind, während die reliefartige Ornamentschnitzerei in Silberfarben davor stand. Die Fassung ist dünn mit Steinkreide vorgrundiert und mit mehreren Lagen Kreidegrund weiter verarbeitet. Die originalen Metallfassungen sind alle mit einem hellroten Bolus vorgelegt, der leicht ins Orangerot tendiert.

Erhaltungszustand Träger
Leichter, nicht mehr aktiver Anobienbefall, der sich im Bereich der Laterne und unterhalb davon auf der Stange verstärkt. Am geschnitzten Laubwerk sind zahlreiche Fehlstellen an Blattspitzen etc. mehrfach auch Risse und Brüche im Holz. Dübel-Steckverbindungen vornehmlich an der Laterne sind gelöst.
Zahlreiche Blattspitzen und Ecken an Kapitellen sind in Holz ergänzt worden: In der Regel sind sie nur ganz dünn oder gar nicht grundiert, sodass sie an einem gewissen „Schälschnitt“ leicht erkennbar sind.

Erhaltungszustand Fassung
Die Fassung zeigt vor allem in den beiden unteren Abschnitten starke Blasenbildungen mit schon vielfach eingetretenen Verlusten bis aufs Holz. Höhen und Kanten sind meist berieben und/oder bestoßen. Das Blattsilber ist überwiegend oxidiert und berieben, dass nur mehr der rote Bolusgrund sichtbar ist: Daraus ergibt sich die optisch etwas indifferente Erscheinung einer grau-rötlichen Oberfläche. Bis auf die ergänzten Bereiche ist die Blaufassung in den Hohlkehlen und im Baldachinhimmel nahezu komplett vorhanden und zeigt auch nur geringe Schäden.
Ergänzungen und Überarbeitungen tragen einen roten Bolus, der deutlich nicht in den Orangeton tendiert, wie das Original. Die Silberflächen sind mal mit Silberbronze überarbeitet worden; die Bronze liegt inzwischen auch nur fragmentarisch vor, kann aber in Fassungsfehlstellen gefunden werden.

Fazit – Konzept
Neben einer grundlegenden Konservierung kann auch eine reduzierte Restaurierung vorgesehen werde:
Die Konservierung umfasst eine Konsolidierung des Trägers wie auch der Fassung durch Festigen und präventiven Holzschutz, Verleimen der Bruchstellen und gegebenenfalls Ausspänen von größeren Rissen. Ebenfalls unabdingbar ist eine restauratorische Oberflächenreinigung aller Bereiche. Da eine Rückführung der Metalloxidationen nicht möglich ist, muss dieser Zustand mit seiner Optik hingenommen werden. Leimüberschuss und weitläufige Kittungen von vorangegangenen Restaurierungen werden entfernt oder zumindest reduziert. Restaurativ können die gröberen Verluste gekittet werden und optisch stark ins Auge fallende Fehlstellen werden mit Lindenholz ergänzt. Ergänzungen, Kittungen und flache Fehlstellen in der Fassung werden durch Retusche eingetönt. Außer Blau und Goldflächen erhalten die übrigen Fassungen einen Schutzüberzug. Zusätzlich kann erwogen werden, die fehlenden Figuren wieder durch Kopien zu ersetzen. Da auf den vorhandenen Fotos nicht nachvollzogen werden kann, inwieweit diese farbig gefasst waren, ist hier von einer Fassung eher Abstand zu nehmen. Das Schnitzholz kann allenfalls durch eine eintönende Beize der Optik der Vortragestange angepasst werden. Für die Vortragestangen ist in St. Jodok dann eine eigene Halterung vorzusehen.

































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