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as sich durch Ihren Beitrag bewegt




 

Als wir vor nunmehr vier Jahren die Konzertreihe St. Jodok auf den Weg brachten, waren unsere Ziele klar definiert. Musik im sakralen Raum, in all ihren Facetten und Farben, spielte eine wesentliche Rolle. Auch die Sanierung des in die Jahr gekommenen Kircheninnenraumes und seiner Ausstattung war Antrieb genug, sich dieser Aufgabe anzunehmen.
Zusammen mit unserem Publikum und Partnern wollten wir beide Vorhaben voranbringen, was uns bisher auch vortrefflich gelang!
Unsere Initiative wirkte dabei wie ein Stein, den man in ruhiges Gewässer wirft: sie zog Kreise. Die Sanierung des Altaraufsatzes und des Antependiums regulierte der Rotary-Club Überlingen im Rahmen seines alljährlichen Präsidentenprojekts; die Großplastik des Schmerzensreichen Christus konnte durch eine Einzelspende restauriert und in seiner Substanz erhalten werden; und nicht zuletzt die Sanierung der Figurengruppen des Hochaltars sind das schöne Ergebnis Ihres Beitrags.
Dafür sei allen Beteiligten ein herzlicher Dank ausgesprochen.
Die letzte noch ausstehende figürliche Sanierung im Chorraum, die des Dismas, der Großplastik zur Linken des Hochaltars, werden wir 2012 angehen und zum Abschluss bringen. Damit ist dann die erste Phase unseres Engagements vollendet.
Als nächstes großes Projekt, bei dem vermutlich über Jahre hinweg keine zählbaren Ergebnisse zu erwarten sind, steht die dringende Sanierung des sogenannten Hühnerwunders auf der Nordseite der Kirche an. Die Arbeiten an dieser Wandmalerei aus dem 15. Jahrhundert, welche in 12 Bildern die Legende eines populären Jakobus-Wunders darstellt, sollen ab dem kommenden Jahr beginnen.
Umfangreiche Dokumentationsarbeiten werden den Auftakt bilden. Sie finden im Frühsommer 2013 statt.
Wir freuen uns natürlich darüber, dass unsere Anregungen immer wieder auf fruchtbaren Boden fallen und sind glücklich, einen kleinen Teil zum Erhalt der St.-Jodok-Kirche beitragen zu können. 

Zustände des Hochaltars vor und nach der Restaurierung




Dismas und Ecce Homo

in der St. Jodokkirche in Überlingen






Die Sanierung eines Kircheninnenraumes beschreibt einen eher rationalen Vorgang, der sich im Grunde technisch nüchtern durchführen lässt.
Aber wen stellen die Figuren eigentlich dar, die wir da erhalten wissen wollen? Warum sind die Plastiken Bestandteil der Kirchenausstattung? Welchen tieferen Sinn hatte eine Figurengruppe oder Einzelplastik eigentlich, und gibt es dafür reale Vorbilder? Wer hat sie angefertigt, und wie hat man sich das vorzustellen? Unzählige Fragen dieser Art können theologisch oder kunsthistorisch gestellt und kontrovers diskutiert werden.
Ich möchte durch die Betrachtung der beiden Großplastiken im Chorraum der St.-Jodok-Kirche einigen dieser Fragen nachgehen und Ihnen auf den nächsten Seiten eine vage Andeutung dessen vermitteln, was Spannendes über diese beiden Figuren zu erfahren ist.
Bei der lebensgroßen Plastik des Dismas zur Linken des Hochaltars handelt es sich der Legende nach um den reuigen Schächer zur Rechten Christi, dem bei der Kreuzigung die Verheißung „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein!“ zuteil wurde.
Der Name Dismas ist möglicherweise eine Ableitung vom Altgriechischen ἡ δυσμή,  der Untergang, der Sonnenuntergang, im übertragenen Sinn das Lebensende.
Die Namen der beiden mit Jesus hingerichteten Verbrecher werden in den Evangelien nicht genannt. Johannes erwähnt die Geschichte der beiden Schächer überhaupt nicht, während bei Matthäus (Mt 27,44 EU) und Markus (Mk 15,32 EU) beide Diebe Jesus verspotten.
Die Geschichte vom „guten“ Schächer Dismas wird nur im Lukas-Evangelium (Lk 23,39–43 EU) erzählt. Während Gestas Jesus am Kreuz verhöhnt, bittet Dismas Jesus um Beistand, wofür Jesus ihm verspricht, dass er mit ihm im Paradies sein werde.
Die Namen der beiden Schächer finden sich zum ersten Mal in der Acta Pilati 9,4 aus dem 4. Jahrhundert nach Christus. Hier werden sie Dusmas und Gestas genannt. Nach dieser apokryphen Erzählung soll der Erzengel Michael den Dismas mitsamt seinem Kreuz im Paradies empfangen haben. Vermutlich deshalb ist das Attribut des Dismas seit der alten Kirche der Kreuzstab oder das „Schächerkreuz“.




Dismas, unrestauriert


Ecce Homo, unrestauriert



Im arabischen Kindheitsevangelium aus dem 6. Jahrhundert ist er der Räuber, der Josef und Maria auf der Flucht nach Ägypten in sein Haus aufgenommen haben soll. Deshalb soll ihm bei der Hinrichtung die Gnade der vollkommenen Reue zuteil geworden sein. Sein Kreuz soll nach Zypern gelangt sein, wo Dismas besonders verehrt wird.
Dies zu den schriftlich überkommenen Fakten zur Person des Dismas. Interessanterweise wurde auch Dismas neben so populären Personen wie dem allseits bekannten Christophorus nie kanonisiert und kirchenrechtlich in den Rang eines Heiligen erhoben. Der Volksglaube verstand ihn und seine Geschichte aber wohl als verehrungswürdiges Vorbild, und so wurde er quasi durch die Hintertür de facto zum Heiligen bestellt.
Die Verehrung des Dismas fand zunächst in der byzantinischen Kirche starke Verbreitung, während er in der Römischen erst im Zeitalter der Kreuzzüge an Bedeutung gewann.
Die in der St.-Jodok-Kirche vorgefundene Darstellung als stehende Figur in Verbindung mit einem purpurfarbenen Umhang und den nach vorne gebeugten Händen, welche wohl ursprünglich einen Kreuzbalken umfassten, findet sich selten, und wenn überhaupt, vorwiegend im 18. Jahrhundert.
Besonders in den Orden der franziskanischen Familie fand er große Verehrung, was durch die Präsenz der Franziskaner in Überlingen ein Hinweis auf seinen Platz in der St.-Jodok-Kirche sein könnte.
Dismas gilt als Patron der zum Tode Verurteilten, der Gefangenen und Totengräber. Aus diesem Grund wurden am Fuße von Galgenbergen teilweise Dismasstatuen aufgestellt, an denen der Verurteilte vor der Exekution ein letztes Gebet sprechen konnte. Theologisch drückt dies wohl aus, dass selbst noch in der Todesstunde Vergebung für den möglich ist, der bereut. Daraus erwächst Trost und Zuversicht für alle, die bereuen und an Gott, seine Gnade und das ewige Leben glauben.
Kunsthistorisch ist die Zuordnung des St. Jodoker Dismas aufgrund der nicht vorhandenen Quellen äußerst schwierig. Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei Unterlagen zur Plastik, weder Rechnungen noch Erwähnungen früherer Eigentümer vorliegen, kann hierzu keine abschließende Aussage getroffen werden. Vielleicht ergeben sich nähere Erkenntnisse durch die bevorstehende Restaurierung der Plastik. Stilistisch dürfte die Figur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anzusiedeln sein. Geschaffen im Bodenseegebiet, sind Einflüsse der beiden Bildhauerfamilien Feuchtmayer und Dirr erkennbar.






Dokumentation über die Ergänzung der verlorenen Zehen des Ecce Homo



Ganz anders verhält es sich bei der Figur des Schmerzenmannes links neben dem Hochaltar. Die Figur verkörpert Jesus Christus, wie er nach seiner Geißelung vor Pilatus als „König der Juden“ geführt wurde. Die Darstellungsweise ist als Ecce Homo (”Seht, da ist der Mensch!” – Einheitsübersetzung) in die Kunstgeschichte eingegangen.
Als Schöpfer wird diese beeindruckende Plastik dem aus Konstanz stammenden Bildhauer Christoph Daniel Schenk zugeschrieben. Sie entstand wohl zwischen 1675 und 1680.
In der Literatur ist die Figur wie folgt beschrieben:
„Der dornengekrönte Christus ist lediglich mit einem Lendenschurz und einem um die Schultern gelegten Mantel bekleidet. Seine vor den Körper gezogene Linke ist am Handgelenk gefesselt. Möglicherweise hielt sie ehemals ein Rohrzepter. Auch die andere, ebenfalls nach vorne gestreckte Hand, dürfte dieses umgriffen haben. Die Figur wurde von Noack-Heuck (1970) Christoph Daniel Schenk zugeschrieben. Er datierte sie in die Zeit zwischen 1675 und 1680. Zitat: “… Sein Lendentuch steht dem des St. Trudperter Kruzifixes (Münstertal) und dem Brusttuch des rechten Engels vom Thomasaltar in Konstanz nahe. Im Standmotiv dem Christus des Thomasaltars ähnlich, die Arme jedoch nicht ausgebreitet, vom Mantel stärker umfasst, wirkt er geschlossener. Sein Haupt, dem Gekreuzigten in St. Trudpert ähnlich, ist beidseitig von Locken umrahmt. (…) Die Hände zeigen die gleiche künstlerische Kraft wie die Hände des Leichnams der Beweinung in St. Trudpert (…). Diese Figur ist nur denkbar als Schöpfung des Meisters«…“
Literatur Noack-Heuck 1970, S. 31(mit Abb. 15). Sollten Sie noch mehr Informationen über die Familie Schenk, insbesondere über Christoph Daniel Schenk in Erfahrung bringen wollen, sei das Buch über ihn im Jan Thorbecke Verlag von 1996 empfohlen.







Die Restaurierung erfolgte dank einer beachtlichen Einzelspende 2011. Dabei wurde festgestellt, dass die Figur mit insgesamt drei Fassungen belegt ist. Die Dokumentation hierfür wurde auf einer für den Betrachter unsichtbaren Stelle auf dem linken Schulterblatt freigelegt und festgehalten.
Ziel der umfangreichen Arbeiten war zunächst die Sicherung und Reinigung der bestehenden Substanz. Darauf folgten notwendige Ergänzungen und deren Verschmelzung mit der überkommenen Oberfläche. Die Herausforderung bestand zunächst darin, jede einzelne Fassungsschicht für sich zu isolieren und deren charakteristischen Merkmale zu erkennen. Dies konnte nur durch sorgfältige Analyse unter optischer Vergrößerung vorgenommen werden. Erleichtert wurde die Arbeit insbesondere durch die unterschiedliche Behandlung der durch Geißelung und Krönung entstandenen „Blutströme“. Unterschiedliche Kunstepochen gingen unterschiedlich mit der Darstellung des Blutes um. Die einen wählten drastischere Verläufe als die anderen. Aus dieser Kenntnis heraus und der jahrzehntelangen Erfahrung des Restaurators Markus Heberle konnte ein zeitlich streng eingegrenztes Sichtfenster erkannt und wiederhergestellt werden. Die gegenwärtig sichtbare Oberfläche der Plastik stellt die letzte Fassungsschicht dar und deckt die beiden früheren Fassungen ab, was in der Vergangenheit so nicht konsequent durchgeführt war.

Das Ergebnis der Restaurierung vermittelt nun einen etwas ruhigeren Gesamteindruck des Ecce Homo und lässt durch Reinigung und Ergänzung der verloren gegangenen Körperteile die durch die katholische Kirche definierte Anbetung wieder uneingeschränkt zu.




Ecce Homo, restauriert






































































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